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Neuer Träger für die nukleare Teilhabe

 

Bislang wurde die nukleare Teilhabe mit dem Kampfflugzeug Tornado durch das Taktische Luftwaffengeschwader 33 in Büchel  wahrgenommen. Dieser Anfang der 80er Jahre eingeführte Mehhrweckjagdbomber erreicht allmählich das Ende seiner Einsatzdauer und kann nur noch mit wachsenden Kosten in Betrieb gehalten werden. Ab 2023 wird das System nur noch von der Luftwaffe betrieben werden. Eine Nutzung des mittlerweile auch für Mehrzweckrollen vorgesehenen Eurofighters  für die nukleare Teilhabe wäre eigentlich naheliegend. Für die Nukleareinsatzfähigkeit muss ein Flugzeug aber durch die USA zertifiziert und an die Bestückung mit neuen nuklearen Abwurfwaffen  technisch angepasst werden. Der Zeitfaktor und die Entwicklung des transatlantischen Verhältnisses spricht aber gegen diese Lösung. So plant das BMVg die Beschaffung von ca. 48 amerikanischen F 18 in einer modernen Version. Dies Flugzeug hätte auch den Vorteil, dass es in einer Spezialversion (Supergrowler)  auch eine weitere Spezialaufgabe des Tornado, die Unterdrückung der gegenerischen Luftverteidigung (SEAD), wahrnehmen könnte. Die klassischen konventionellen Jagdbomberaufgaben könnten dann von weiteren nachbeschafften Eurofightern in der aktuellen Version übernommen werden. Der Eurofighter ist ein eingeführtes und als Flugzeug bewährtes System, die Anpassung an die Luftangriffsrolle verlief in der Luftwaffe allerdings bisher sehr schleppend.

 

Während die Beschaffung von weiteren Eurofightern auch aus industrie- und arbeitsmarktpolitischen Gründen (Corona!)  in der deutschen Politik konsensfähig ist, dürfte die Beschaffung einer amerikanischen Musters wegen der Verknüpfung mit der nuklearen Teilhabe auf erhebliche Widerstände stoßen und wurde  deshalb auf die nächste Legislaturperiode vertagt, auch wenn das Alter der Tornado und ihre Unterhaltungskosten eigentlich eine zügige Lösung gebieten.Hier zeigt sich, wie sehr militärischen Beschaffungen von politischen Einflussgrößen bestimmt und nicht nur nach der Effizienz  bewertet werden. Auch die Bevorzugung der F 18 mit ihrem schon älteren Grundentwurf gegenüber der moderneren und in vielen Partnerstaaten eingeführten F 35 erfolgt mit politischer Rücksicht auf das deutsch-französisch-spanische Kampfflugezugprojekt FCAS. Deutsche Sicherheitspolitik balanciert eben auch zwischen amerikanischen und französischen Orientierungen . Inwieweit eine Wiederbelebung der transatlantischen Beziehungen unter Präsident Biden neue Perspektiven eröffnen wird,  bleibt offen.

 

Der vormalige Luftwaffeninspekteur Müllner hatte mit einem mehr oder weniger deutlichen Votum für das amerikanische Stealth-Kampfflugzeug F 35 LightningII die Diskussion eröffnet, worauf das BMVg mit seiner Option einer Anpassung des Eurofighters an die Aufgaben des Tornado in der Luftangriffsrolle reagierte und Müllner als Inspekteur ablöste! Die F-35 punktet als Flugzeug einer fortgeschrittenen Generation mit einer zur Zeit noch wirksamen Radartarnung und eines komplexen Waffeneinsatzführungssytems und kann zu einer Standardisierung beitragen, da sie zur Zeit in zahlreichen NATO-Staaten eingeführt wird. Der Betrieb
der F 35 würde aber die Abhängigkeit von den USA zementieren. Die F 35 steht wegen zahlreicher Pannen und hoher Kosten unter erheblichem Druck, auch wenn der Anbieter mit sinkenden Beschaffungskosten wirbt. 

 

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hat sich 2020 für eine gemischte Beschaffung von 90 Eurofightern und 48 F 18 Super Hornet entschieden, um den Tornado und die erste Tranche älterer Eurofighter abzulösen. Der Haushaltsauschuss hat mittlerweile die Ersatzbeschaffung von 38 Eurofightern der Tranche 4 genehmugt, die eigentliche Entscheidung über die Nachfolge des Tornado bleibt aber offen, da man im Wahljahr mit einer derartigen Entscheidung bei den Wählern nicht punkten kann.  

 

Die F 18 beruht auf einem älteren Entwurf, wurde aber ständig als Standardflugzeug der US-Navy modernisiert. In ferner Zukunft ab 2040 plant man mit dem deutsch-französischen Kampfflugzeug der Zukunft, was aber die Frage der Zertifizierung auch nicht löst, es sei denn Deutschland setzt künftig auf Teilhabe an der französischen „Force de Frappe“. Die F 18 wäre eine Art Zwischenlösung, wie das schon mal bei der Phantom F 4 der Fall war, die seit den 70er Jahren Defizite und Verluste der Starfighterflotte kompensieren sollte, dann am Ende aber doch bis 2013 bei der Luftwaffe flog. Auch sie war wie die F 18 ein Entwurf für die Navy. Marinejagdbomber müssen wegen der Flugzeugträgereignung besonders robust ausgelegt sein und sind wahrscheinlich keine schlechte Wahl.

 

Deutschland wird vorerst aus der nuklearen Teilhabe in Anlehnung an die Abschreckungsmacht USA nicht aussteigen, weil sie gewisse Mitspracherechte und höhere Sicherheitsgarantien verspricht.Angesichts des Ausbaus des russischen Nuklearpotentials in Europa (Iskander, SSC 8) und dem Ende des INF-Vertrages wäre ein deutscher Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe mit luftgestützten Atomwaffen sicherheitspolitisch und außenpolitisch bedenklich. Um einem unpopulären Flugzeugdeal mit den USA und einer Entscheidung über die nukleare Teilhabe aus dem Wege zu gehen, könnte man vielleicht sogar versucht sein, einige Tornado gegen militärische und wirtschaftliche Vernunft mit Nutzungsdauerverlängerungen über 2030 hinaus doch noch länger in Dienst zu halten.

 

Es ließen sich auch ganz andere Alternativen denken, die aber nicht ausgesprochen werden! Vielleicht wäre eine Kooperation mit den NATO-Partnern Belgien und den Niederlanden ein Weg, die sich für die F 35 entschieden haben und bisher auch in die nukleare Teilhabe eingebunden sind. Deutschland könnte zusätzliche F 35 der Nachbarluftwaffen finanzieren, sich an deren Betrieb beteiligen und auch mit deutschen Piloten besetzen. Die Stationierung von nuklearen Abwurfwaffen auf deutschen Boden bliebe unverändert. Der Einsatz könnte als gemischter Verband europäischer NATO-Partner erfolgen, wie man ihn schon lange bei dem AWACS-Aufklärungssystem praktiziert. Die Piloten und das abgestellte Bodenpersonal unterstünden weiterhin der deutschen Kommandogewalt, der Nuklearwaffeneinsatz wäre ohnehin primär von den USA und der NATO abhängig. Als zweites Standbein wäre sogar eine gleichartige nukleare Kooperation mit Frankreich vorstellbar, wenn Deutschland einige Eurofighter abstellt, die von Frankreich für den Einsatz taktischer Nuklearwaffen zertifiziert würden. An der Verfügungsgewalt des französischen Präsidenten würde sich dabei nichts ändern. Derartige Fragen müssten ohnehin beantwortet werden, wenn das gemeinsame FCAS tatsächlich fliegt und Frankreich auf eine nukleare Rolle nicht verzichten möchte.

 

Kommentierte Anmerkungen: Das Thema und der Handlungsbedarf waren nicht wirklich neu und die Probleme bekannt. Der Koalitionspartner SPD ist vor allem in der Frage der nuklearen Teilhabe gespalten. Die längst überfällige Entscheidungsfindung im BMVg hat sich auch aus diesen Gründen verzögert. Sachfremde Erwägungen wie die durchaus verständliche politische Distanz zur gegenwärtigen US-Administration, Rücksichten auf innerparteiliche Konstellationen und französische Vorbehalte  gegen eine F 35-Beschaffung sind einer schnellen Entschlussfindung nicht förderlich. Die F 35 wäre das modernere Flugzeug und würde die Standardisierung auch in Europa (Nutzer UK,IT,NL,NO,BE,DK, TK?) erleichtern. Eine Weiterentwicklung des Eurofighter auch für den elektronischen Kampf käme auch dem FCAS-Projekt zugute. Andererseits ist die F 35 technisch nicht unumstritten und die F 18 erst einmal die sichere und schnellere Lösung für die Bereitstellung der geforderten Fähigkeiten. Die US-Navy wird das Modell auch noch bis 2040 nutzen. Als Trägerflugzeug kann man von einer robusten Auslegung ausgehen. Eine Erfahrung, die man zumindest mit der F 4 Phantom gemacht hat. Die in Planungspapieren geforderte Revitalisierung der Rolle Seekrieg aus der Luft wäre mit der F 18 sicher machbar. Allerdings war nicht zu lesen, wie die Aufklärungsrolle des Tornados fortgesetzt wird. Hier wären sicher auch Behälterlösungen mit dem Eurofighter denkbar. Dass in den Jahren der Sparpolitik nach 2009 von einer Nutzung der Tornado bis nach 2040 ausgegangen wurde,  hat ebenfalls zur Verzögerung beigetragen. So glaubte man auch, die heikle Frage der nuklearen Teilhabe von der Tagesordnung halten zu können.  Ein derartiges Beschaffungsprojekt  mit einem Volumen von ggfs. 25 Mrd. €  dürfte bei einer dauerhaft kritischen Nach-Corona-Lage sehr unter Beschuss geraten, ohne dass dabei sicherheitspolitische Argumente im Mittelpunkt stehen würden. Es ist sehr schwierig, aber unabdingbar, große politische Grundfragen wie soziale Sicherheit und Fürsorge, technologische und ökonomische Entwicklung, Klimaschutz und äußere Sicherheit gleichzeitig mit gleicher Aufmerksamkeit zu diskutieren und zu lösen und nicht der Versuchung zu erliegen, die Prioritäten aus subjektiven Motiven gegeneinander auszuspielen!