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Bundeswehr und Recht

 

Thema:Einsatz der Bundeswehr im Inneren

 

Zum Einstieg eine grundsätzliche Bemerkung: Die Bundeswehr reiht sich ein in eine Reihe von staatlichen Einrichtungen, die der Parlamentarische Rat 1949 und dann der Bundestag als Volksvertretung per Gesetz legitimiert und organisiert hat, um auf dem Territorium der Bundesrepublik die rechtsstaatliche Ordnung nach den Maßstäben des Grundgesetzes zu erhalten und zu schützen! Sie unterscheidet sich in dieser Grundverpflichtung in keiner Weise von Polizei und Justiz

Die gewohnten Rituale der Entrüstung und Betroffenheit, wenn Politiker (!) - nicht Soldaten -  über eine Unterstützung der staatlichen Einrichtungen in extremen Situationen im Lande durch die Bundeswehr nachdenken, werden leider bis weit hinein in das liberale Bürgertum gepflegt

Da tritt dann oft ein latentes Misstrauen gegenüber dem Militär zutage, das in der Geschichte der Bundesrepublik zu keinem Zeitpunkt mit Belegen untermauert werden kann. Es gibt in der Bundesrepublik kein Beispiel, dass sich militärische Befehlshaber in Uniform Befugnisse angemaßt hätten, mit denen sie in rechtsstaatliche Verfahrensabläufe eingegriffen hätten. Thematisiert werden gerne Skandale des Fehlverhaltens innerhalb der militärischen Ordnung oder problematische Gesinnungen von einzelnen Bundeswehrangehörigen, die aber keine Eingriffe in die zivilstaatliche Ordnung darstellen und nicht von der Institution Bundeswehr ausgehen oder für sie typisch wären. Initiativen, darüber nachzudenken, inwieweit die Bundeswehr, wie in anderen demokratischen Staaten üblich, bei Bedarf andere Hoheitsträger in Gefahrenlagen kurzfristig unterstützen und sich dann wieder zurückziehen kann, gehen von der Politik aus, nicht von der Bundeswehr selber.

 

Bekannt sind die Bilder von patrouillierenden französischen und belgischen Soldaten in den Straßen von Paris und Brüssel nach großen Terroranschlägen. In Österreich wird das Bundesheer im „Assistenzeinsatz“ zur Grenzssicherung herangezogen, in Großbritannien wurden Soldaten während des nordirischen Bürgerkrieges als Ordnungsmacht eingesetzt und in den USA können die Bundesstaaten im Rahmen der Verfassung Einheiten der Nationalgarde anfordern, wenn die Polizeikräfte nicht ausreichen. In Frankreich gibt es mit der Gendarmerie, in Italien mit den Carabinieri und in den Niederlanden mit der Marechaussee reguläre Sicherheitsorgane, die im Grenzbereich von Polizei und Militär angesiedelt sind, und in Teilen das Spektrum abdecken, das bei uns die Bundespolizei als Nachfolger von Bundesgrenzschutz und Bahnpolizei ausfüllt. In Großbritannien, wo es derartige Formationen nicht gibt und traditionell auf ein sehr ziviles Auftreten der Polizei Wert gelegt wird, muss gelegentlich in Notfällen das Militär in dem vom Unterhaus gesetzten gesetzlichen Rahmen diese Lücken ausfüllen. Darüber hinaus kann in Großbritannien die Monarchie, der die Streitkräfte in unbedingter Loyalität verpflichtet sind, als fester Stabilitätsanker der Demokratie angesehen werden und bei keinem Briten kommt Misstrauen auf, wenn britische Traditionsregimenter wie jetzt im Coronaeinsatz im zivilen Alltag aushelfen. Die Binnenstrukturen der britischen Armee sind hierarchisch und haben wenig mit deutschen Vorstellungen innerer Führung von Staatsbürgern in Uniform gemein, aber die Institution ist in ihrer demokratischen Loyalität über jeden Zweifel erhaben.

 

Über den Einsatz staatlicher Ordnungskräfte bei Unruhen, ganz gleich ob Polizei oder Militär, lässt sich im Einzefall immer mit guten Gründen streiten, aber in den Staaten und Gesellschaften des Westens ist dabei zu keiner Zeit der Primat der Politik gefährdet. Angefordert wird das Militär durch die zivilen Regierungsinstanzen. Es greift nicht von selbst in das staatliche Leben ein. Als aktuelles Beispiel sei auf Warnungen von führenden US-Militärs an die Trump-Administration hingewiesen, die US-Streitkräfte nicht für die Bewältigung von Unruhen zu missbrauchen.

 

Die Sorge bestimmter Kreise, das Militär könne die Demokratie gefährden, dürfte in unserem Teil der Welt wenig Belege bieten und ist nur ein Scheinproblem! Angehörige des Militärs müssen im Rahmen eines breiten demokratischen Meinungsspektrums nicht unbedingt den sich „progressiv“ verstehenden Teil der Gesellschaft repräsentieren, aber an der Loyalität gegenüber den demokratischen Institutionen besteht nirgendwo begründeter Zweifel.

 

In Deutschland wird dann häufig die Geschichte als mahnendes Beispiel herangezogen. Blickt man ins 19.Jahrhundert, trifft es zweifellos zu, dass Militär zur Unterdrückung demokratischer Bewegungen und von Streiks herangezogen worden. Das ist aber in anderen heute zweifelsfrei demokratischen Staaten damals auch nicht anders gewesen und war kein spezifisch deutsches Phänomen! Je mehr die Demokratie in Europa und Nordamerika durch das Wahlrecht auf eine breitere Grundlage gestellt wurde, desto schwieriger wurde es für die Regierungen, sich des Militärs in der Innenpolitik zu bedienen. Der sogenannte preußische Militarismus war eine gesamtgesellschaftliche Erscheinung und hatte auch Parallelen bei den anderen rivalisierenden imperialistischen Mächten. Die Rolle der Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff  im I. Weltkrieg war Ausdruck dieser imperialistischen Vernetzung von Militär und Gesellschaft und nicht durch Verfassungsparagraphen verursacht. Die Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik war zwielichtig, weil ihre Angehörigen wie viele Deutsche keine überzeugten Republikaner waren und sich ein isolierter Blick auf das Militär bei der Problemanalyse verbietet. Übrigens sind in dieser Zeit die Versuche von Teilen des Militärs, die demokratisch gewählte Regierung mit Gewalt umzustürzen durchweg gescheitert: der Kapp-Putsch 1920 und die ursprüngliche Beteiligung der bayerischen Reichswehr am Hitlerputsch 1923, der dann im Feuer einer paramilitärischen bayerischen Polizeiformation scheiterte. Hitler kam nicht durch einen Coup der Reichswehr an die Macht. Sein Aufstieg war möglich durch eine Radikalisierung der Wähler und republikfeindlichen Oberschichten, zu denen auch Teile des Militärs gehörten. Die Reichswehr unterwarf sich wie große Teile der Gesellschaft sehr bereitwillig und ohne Widerstand der Diktatur, hat aber nicht aufgrund institutioneller Befugnisse in die Politik eingegriffen und die Dikatur begründet.

Der NS-Terrorstaat konnte sich seines eigenen Apparates,  der Polizei und Justiz bedienen und die Wehrmacht war sein willfähriges Instrument bei der Unterwerfung halb Europas unter die Diktatur. Die Masse der Wehrmacht folgte ihm, so wie das deutsche Volk ihm folgte. Bei der Verfolgung der echten oder vermeintlichen NS-Gegner in Deutschland war die Wehrmacht kaum erforderlich und nach dem von Hitler besonders praktizierten Prinzip „Teile und herrsche“ auch gar nicht gewünscht. Es ist nicht zynisch gemeint, wenn man feststellt, dass der Versuch einer kleinen Opposition mit Teilen des Militärs die innere „Ordnung“ zu stürzen, am 20.Juli 1944 leider gescheitert ist. Wenn man genau hinsieht, gibt es also auch historisch keine Gründe für den Eifer, spezifisch das Militär als besondere Gefahr für die Demokratie zurückdrängen zu müssen. Die Frage der Mitverantwortung für die NS-Katastrophe war an zahlreiche Funktionsträger in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft der frühen Bundesrepublik zu stellen, nicht nur an Angehörige der Wehrmacht, die in den Dienst der Bundeswehr traten.  Die Frage von Demokratie und Unfreiheit entscheidet sich in der ganzen Gesellschaft und daran, ob es genug demokratische Republikaner gibt, welche die Republik tragen!

 

Während die Polizei, die Verwaltung und die Justiz in der Masse ohne allzu große Widerstände und kritische Kontrolle in den Dienst der Bundesrepublik übernommen wurden, wurden die Militärs vor einer Übernahme in die Bundeswehr, auch mit Blick auf die Alliierten, die den Nationalsozialismus als Extremfrom des preußischen Militarismus deuteten, sehr kritisch unter die Lupe genommen. Polizei und Justiz werden heute im gesamten politischen Spektrum der bundesdeutschen Gesellschaft durchweg als Hüter des Rechtsstaates akzeptiert und keine historischen Bezüge mehr zu einer möglichen strukturellen Anfälligkeit für Versuchungen von Diktatur gesehen. Dagegen werden die Streitkräfte ständig mit der Geschichte konfrontiert, wenn irgendwo in der politischen Landschaft eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Unterstützung der Polizei bei der Gefahrenabwehr in Krisenlagen erwogen wird.

 

Die Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze 1968, mit denen die damalige Große Koalitionu.a. auch auf Vorbehaltsrechte der ehemaligen westalliierten Besatzungsmächte reagierte, wurde sicher von einer breiteren Proteststimmung gegen verkrustete autoritäre Ausprägungen der Bonner Republik gespeist, für die es Gründe gab, aber mit der Abwehr einer akuten Gefahr für den Bestand des demokratischen Staates hatte das wenig zu tun.

Von den Notstandsgesetzen von 1968 ist in der Bundesrepublik noch nie Gebrauch gemacht worden! Vor allem die von den Gewerkschaften aufgrund der Erfahrungen in der Kaiserzeit befürchteten Gefährdungen der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts traten nicht ein. Der Bundestag  bemühte sich damals um eine Anpassung des Grundgesetzes mit Regeln für die elementare Aufrechterhaltung von Exekutive, Legislative und Judikative in der Situation einer extremen Bedrohung. Es handelte sich um ein schon länger vorbereitetes, kontrovers diskutiertes,  ungelöstes Gesetzesvorhaben, das die Koalition aus CDU/CSU und SPD  endlich abschließen wollte, das aber dann mit der Protestbewegung der sog. Außerparlamentarischen Opposition zeitlich zusammen fiel. Was gerne vergessen wird, es wurde 1968 mit dem Artikel 20, Absatz 4, sogar ein Widerstandsrecht eingefügt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die für die Rolle der Streitkräfte relevanten Bestimmungen und gehen nicht auf begrenzte Modifikationen der bürgerlichen Freiheitsrechte ein, die auch schon die Grundgesetzgeber von 1949 zum Schutz der der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht ausgeschlossen hatten.

Die Korrektheit gebietet eigentlich eine Unterscheidung zwischen den hier beschriebenen Bestimmungen einer Notstandsverfassung im Grundgesetz und den daraus abgeleiteten gesetzlichen Regelungen inkl. Verordnungen zur Bewältigung eines inneren oder äußeren Notstandes, den eigentlichen Notstandsgesetzen (Sicherstellungs- und Leistungsgesetze). Nach der Bewältigung der Corona-Pandemie 2020/21 könnte eine Anpassung der Gesetzgebung an spezifische medizinische Notstandslagen auch ein Thema werden.

 

Das Grundgesetz kennt auch nach den Notstandsgesetzen keinen allgemeinen Ausnahmezustand, sondern differenziert in verschiedenen über das Grundgesetz verteilten Ergänzungen zwischen äußerem Notstand durch einen drohenden oder tatsächlichen Angriff (Art. 115 a ff. und Art 80 für den Spannungsfall), einer Bedrohung der Freiheitsordnung durch Gewalt in einem inneren Notstand durch bürgerkriegsähnliche Situationen (Art. 91, 35) oder einen Notstand in Katastrophenfällen (Art. 35). Das mehrfach überarbeitete Grundgesetz lässt damit in engen Grenzen den Einsatz der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und zivilen Behörden zu. In Art. 87 werden die Kompetenzerweiterungen beim Schutz ziviler Objekte im Verteidigungs- und Spannungsfall und beim inneren Notstand zusammen mit der Verpflichtung zur Kooperation mit zivilen Behörden festgelegt. Das Grundgesetz lässt auch in den Ausnahmesituationen keine eigenständige Rolle der Bundeswehr beim Einsatz im Inneren zu.

 

Die Legenden um ein mögliches Wiederaufleben von Diktatur und Unfreiheit durch die Einfügung einiger begrenzter und befristeter Ausnahmeregulierungen enfalteten allerdings ein Eigenleben und speisten einschlägige Narrative von angeblichen Gefahren für die Demokratie durch die Notstandsgesetze, die auch heute noch in der medialen Öffentlichkeit von etlichen Zeitgenossen immer wieder beschworen werden, oft von Nachgeborenen der Generation unter 60, für welche die 60er Jahre als bewusster persönlicher Erlebnishorizont nicht gegenwärtig ist. Leider melden sich diejenigen, die es besser wissen müssten, wenig zu Wort und in der Politik und in pazifistischen Bewegungen instrumentalisert man wohl auch dies Narrativ, um Wählerstimmen zu mobilisieren. In der Regel geht die Überbewertung einer Demokratiegefährdung durch die Notstandsgesetze einher mit einer Ignoranz gegenüber Bedrohungen, die unser Rechtsstaat von außen ausgesetzt sein könnte.

 

In Stimmungsbild der Bevölkerung hat die Bundeswehr bei den großen und kleinen Hilfseinsätzen im Inneren von der Hamburger Flutkatastrophe 1962, über den Kältewinter im Norden 1978/9 und die großen Fluteinsätze an Elbe und Oder bis zum Corona-Einsatz der Gegenwart nur gewonnen. Anders als bei der Flutakatastrophe 1962 ist die Rechtslage für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren durch die Notstandsgesetzgebung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heute weitgehend abgesteckt. In den meisten Fällen wurde eine befristete Hilfeleistung und Erweiterung der Kompetenzen unter einer zivilen Befehlsgewalt zugelassen und mit Kontrollmechanismen versehen. Ein handlungsfähiger Bundestag/ Bundesrat könnten einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren jederzeit stoppen.

 

Es gibt keinerlei Handhaben, die der Bundeswehr ein selbstständiges Eingreifen in die innere Ordnung ermöglichen würden. Immer bestimmt die zivile Regierungsgewalt den Einsatz. Nach gängiger Rechtsansicht soll ein Einsatz der Bundeswehr in der Amtshilfe ein Ausnahmefall bleiben und eine Demonstration mit militärischen Machtmitteln unterbleiben. Straßenpatrouillen von Soldaten mit ihren Handwaffen im Polizeieinsatz wären in Deutschland im Ordnungsdienst vorläufig in den bisher bekannten Lagen wenig wahrscheinlich. Wenn allerdings bürgerkriegsähnliche Gefährdungen durch „militärisch organisierte Aufständische“ oder „besonders schwere Unglücksfälle“ die Polizei überfordern, reicht der Rechtsrahmen des Grundgesetzes aus, die Kompetenzen der Streitkräfte mit Legitimation durch die  Legislative um hoheitliche Befugnisse zu erweitern.

 

Derartige Lagen sind bisher glücklicherweise noch nicht eingetreten. Schweres Gerät für Hilfseinsätze wird in der Regel dezent möglichst unauffällig in Bereitschaft gehalten und steht zur Verfügung, wenn es gebraucht wird. Das hatte die Bundeswehr bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 für den Fall eines Anschlages so gehalten und der quantitativ hohe Kräfteansatz in der Coronalage 2020 mit bis zu 20.000 Militärangehörigen in Bereitschaft oder aktivem Einsatz erfolgt auch nach dem Prinzip der „helfenden Hände“ dort, wo er von zivilen Stellen angefordert wird, und kann lageabhängig gesteigert werden.

 

Bundeswehr kann grundsätzlich auf drei verschiedene Weise unterstützen: technische Hilfeleistung und Bereitstellung von Infrastruktur, Abstellung von Personal und in den beschriebenen Notstandssituationen Unterstützung der Polizei bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben. Wahrgenommen wurden in der Vergangenheit vor allem die Präsenz des Militärs bei Katastrophenlagen mit Hubschraubern, Fahrzeugen und Spezialgerät sowie der Einsatz von Soldaten bei  Fluteinsätzen und gegenwärtig als Helfer im Gesundheitsdienst. Für hoheitliche Aufgaben hat die Feldjägertruppe beim Einsatz in Bürgerkriegsgebieten im Ausland auch eine entsprechende Ausstattung, die man von Polizeieinsätzen bei Einsätzen gegen Gewaltdemonstrationen im Inland kennt. Eine Anwendung bei innerem Notstand wäre für Soldaten und Bürger gleichermaßen ein Alptraum.

 

Bei der Unterstützung der Gesundheitsbehörden und Krankenversorgung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit eine große Personalunterstützung angebracht. Allerdings haben die Bundeswehrjuristen Hilfeanfragen ziviler Behörden bei der Unterstützung im Ordnungsdienst (z.B. bei der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften) bisher abgelehnt. Dies wäre nur denkbar, wenn die Polizeikräfte nicht reichen. Die rechtliche Bewertung eines Bundeswehrhilfseinsatzes hängt grundsätzlich immer von einer Einschätzung der Lage ab und inwieweit der Bestand der inneren Ordnung und öffentlichen Wohlfahrt gefährdet sind und zivile Ordnungskräfte nicht ausreichen.

 

Das wird von Bedenkenträgern, die sich bei jedem öffentlichen Auftreten der Bundeswehr zu Wort melden, ebenso übersehen, wie von konservativen Law-and-Order-Vertretern, welche gern mehr gesetzliche Kompetenzen für die Truppe fordern und auch aus psychologischen gern Soldaten nach Terroranschlägen in den Straßen sähen.Sicherheit muss man nicht immer sehen müssen!  Wenn die Bundeswehr sich in überschaubaren Krisenlagen zurückhält, heißt das nicht, dass sie es in den vom Grundgesetz grob umschriebenen und vom Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen etwas präzisierten Extremlagen nicht dürfte. Mäßigung gehört ebenso zum Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Mittel wie massives Auftreten in extremer Not.

 

Dies hat schon beim improvisierten, damals gesetzlich noch nicht abgesicherten, aber dennoch erfolgreichen Einsatz der Bundeswehr bei der Hamburger Flutkatastrophe 1962 gegolten. Das Muster für spätere Regelungen zeichnete sich damals schon ab. Die Truppe ordnete sich der zivilen Befehlsgewalt des Hamburger Innensenators Helmut Schmidt unter und handelte nach dessen Weisungen.

 

In Katastrophenlagen, wo die zivilen Führungsstrukturen nicht mehr ausreichten, hat die Bundeswehr immer wieder mit ihrer Führungsorganisation und Infrastruktur ausgeholfen, wie bei der Brandkatastrophe in der Lüneburger Heide 1975 oder den verschieden Hochwasserlagen der letzten Jahrzehnte. Sie ist da, wenn sie gebraucht wird, ohne daraus einen grundsätzlichen Führungsanspruch abzuleiten. Die geäußerten Bedenken, soldatische Ausbildung und deeskalierende Polizeittaktik würden nicht zusammenpassen, hat sich seit den Kriseneinsätzen in Bürgekriegsgebieten eigentlich erledigt. Soldaten mussten zwischen kriegerischen Parteien vermitteln und Aufgaben übernehmen, für die sie in der Heimat angeblich ungeeignet waren.

 

Allerdings hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die erlaubten Hilfeeinsätze nicht nur im Bedarfsfall improvisiert, sondern auch durch Übungen im Frieden vorbereitet werden sollten. Deshalb nehmen Vertreter der Bundeswehr auch seit längerer Zeit an Übungsreihen der zivilen Verteidigung wie LÜKEX (länder übergreifende Krisenübungen) oder neuerdings speziellen Vorhaben mit der Polizei unter der Bezeichnung GETEX (gemeinsame Terrorismusabwehrübung) teil.

 

Natürlich sind einige Definitionen des Notstandes politisch dehnbar und auch Wandlungen der politischen Deutung unterworfen, wie das zum Beispiel beim Terrorismus im Schnittfeld krimineller und politischer Gewalt der Fall ist. Was ist unter Begriffen wie „besonders schwerer Unglücksfall“ (35.2), „Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“(91), „Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer“ (81a.4) sowie „Eintritt des Spannungsfalls(80a)“ konkret zu verstehen? Spannungsfall und Verteidigungsfall (115) sind vom Bundestag und Bundesrat zu entscheiden, die Antragsinitiative für den Verteidigungsfall obliegt aber der Bundesregierung. Der Verteidigungsfall kann sich schon auf das Bevorstehen eines Angriffs beziehen. Die Beschlussfassungen zum Spannungs- und Verteidigungsfall sind für die rechtlichen Grenzziehungen zwischen dem Zustand von Krieg und Frieden und veränderten Kompetenzen des Militärs von grundlegender Bedeutung

 

Sind die legislativen Organe handlungsunfähig, entscheidet ein Gemeinsamer Ausschuss von Bundestag und Bundesrat als Notparlament. Ist der Angriff bereits erfolgt und eine geordnete Beschlussfassung nicht mehr möglich, „gilt diese Feststellung als getroffen“(115a.4). Das heißt, die Bundesregierung trifft auch ohne formellen Beschluss des Gemeinsamen Ausschusses oder Bundestages/Bundesrates ihre Maßnahmen nach den Regeln des Verteidigungsfalles. Sind die legislativen Organe wie der Gemeinsame Ausschuss oder gar der gesamte Bundestag wieder handlungsfähg, können sie die Maßnahmen bestätigen oder zurücknehmen. Sind Bundesorgane nicht mehr handlungsfähig, den Notstand zu bewältigen, gehen die Kompetenzen laut Art 115i auf die Landesregierungen über. Hier erweist sich ein Vorteil des Föderalismus, der einen Fortbestand staatlicher Ordnung auch beim Ausfall der Zentralinstanzen noch ermöglicht.

 

Wie jede Verfassung musste auch das Grundgesetz gelegentlich einer sich verändernden politischen und gesellschaftlichen Situation angepasst werden, ohne dass der Kernbestand der unveränderlichen Grundrechte in den ersten zwanzig Artikeln in Frage gestellt wurde. Da nicht alle Sachverhalte und Problemlagen in den Paragraphen fixiert werden konnten, obliegt es dem Bundesverfassungsgericht, bei Streitfragen das Grundgesetz auszulegen. Das hat es natürlich bei Fragen zu den Einsätzen der Bundeswehr mehrfach getan. Der Artikel 24 über die Einbindung Deutschlands in ein kollektives Sicherheitssystem wurde in der Entscheidung vom 12.7.1994 unter Berücksichtigung der zentralen Rolle des Bundestages im System der Gewaltenteilung so ausgelegt, dass über die auf einen klassischen Angriff fixierte ältere Rechtsauffassung hinaus auch Auslandseinsätze mit einem Parlamentsvorbehalt zulässig seien.

Das seit dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 offenkundige Ausmaß möglicher terroristischer Bedrohungen beinflusste die BVG- Entscheidung vom 3.Juli 2012, welche die hoheitliche Anwendung militärischer Mittel bei „besonders schweren Unglücksfällen katastrophalen Ausmaßes“ in begrenztem Umfang für zulässig erklärte. Das könnte dann auch Zwangsmaßnahmen außerhalb militärischer Liegenschaften einschließen. Die Entscheidung über den Einsatz läge bei der Bundesregierung. Wichtig sei dabei eine „außerordentliche Gefährdung“ in einem absoluten Ausnahmefall. Die Regierung der Großen Koalition sieht diese Bedrohungslage z.B. bei großangelegten Terrorattacken an verschiedenen Orten als gegeben an. Die Definition derartiger „terroristischer Großlagen“ hängt allerdings von der politischen Couleur der jeweiligen Regierungskonstellation ab.

Unbefriedigend ist die Rechtssituation bisher bei zwei Gefahrenlagen geblieben, bei denen nur die Bundeswehr die passenden Instrumente zur Gefahrenabwehr hätte: Terrorakte mit gekaperten Flugzeugen oder Schiffen. Das Luftsicherheitsgesetz von 2005 mit der extremen Lösung des Abschusses eines gekaperten Flugzeugs zur Verhinderung  eines Terroranschlags wurde 2006 vom Verfassungsgericht verworfen und ein geplantes Seesicherheitsgesetz wegen eines Dissens in der Großen Koalition wurde nicht verabschiedet.

 

Die Verfassungspolitiker der frühen Bundesrepublik waren natürlich durch das klassische Kriegsbild geprägt und hatten weniger hybride Kriegsszenarien vor Augen, bei der mit Mitteln der Subversion, Propaganda, irregulären bewaffneten Aktionen und den neuen Möglichkeiten im Cyberraum schwerste Beeinträchtigungen staatlicher Souveränität und territorialer Integrität erfolgen können bevor Panzer über die Grenzen rollen. Für den inneren Notstand hatte man noch die Austragung bürgerkriegsähnlicher Unruhen zwischen organisierten bewaffneten Formationen vor Augen, wie sie in der Zwischenkriegszeit in Russland, Spanien oder der Weimarer Republik stattfanden. Schwer bewaffnete paramilitärische Kräfte, die sich gegen die gewählten Regierung erheben, sind aber im postheroischen Europa eher selten geworden und in der Bundesrepublik kaum noch vorstellbar.

 

Typisch für einen hybrid agierenden Angreifer ist die Dosierung der Aktivitäten knapp unterhalb der Schwelle, wo es zu massiven Gegenmaßnahmen kommen könnte, die dann auch verfassungsrechtlich abgesichert wären. Mit einer „Salami-Taktik“ könnten juristische Schwellen, die nur bei massiven Bedrohungslagen militärische Mitttel erlauben, unterlaufen werden. Hier könnten künftig weitere Auslegungen des Bundesverfassungsgerichts hilfreich sein, zumal laut Grundgesetz schon ein drohender Angriff den Verteidigungsfall definieren kann.

 

 

Dies gilt natürlich auch für die Gefahren im Cyberraum, wo die tatsächlichen Angreifer sehr schwer zu identifizieren sind und ein Angriff von außen im Sinne eines durch das Grundgesetz definierten Verteidigungsfalle gravierende Auswirkungen haben kann, ohne dass er verfassungsjuristisch eindeutig zu klassifizieren ist. Hier wäre es fahrlässig, wenn das Nebeneinander von zivil und militärisch organisierter Gefahrenabwehr nicht organisatorisch und rechtlich geklärt wird und Grauzonen, wie sie auch bei nachrichtendienstlicher Arbeit immer wieder auftreten, nicht aufgeklärt und eine effiziente Abwehr nicht legitimiert würde.

 

An dieser Stelle sei eine nachdenkliche Abschlussbemerkung gestattet, die ein wenig die hohen Ansprüche auf ewige Gültigkeit der vom Verfassungsgericht  gesetzten Normen relativiert. Die demokratische Rechtsordnung hat nur so lange Bestand, wie die Souveränität der Bundesrepublik im Rahmen ihrer Bündnisse sichergestellt ist. Die Grundrechte lassen sich nicht mit Grundsatzurteilen weltweit durchsetzen. Über diese Normen besteht global gesehen durchaus kein Konsens. Die "systemischen" Herausforderer des Westens und der Werte unseres Grundgesetzes sind sehr präsent. Deutschland muss Kooperation vor allem mit Taten pflegen und sich im weltweiten Kräftespiel und Wettbewerb behaupten. Alle Grundrechte und Urteile sind nur noch Papier, wenn diese Souveränität nach außen und innen nicht mehr geschützt werden kann und die Regierenden und ihre Bürger ohnmächtig oder unwillig geworden sind, diesen Rechtsstaat noch zu zu schützen. Sei es, dass man sich dem Einfluss fremder Mächte aus Ohmacht nicht mehr widersetzen kann oder die Bürger nicht mehr hinter der freiheitlichen Ordnung stehen, um  diese noch mit Worten und Taten zu verteidigen.

 

 

Der Schwerpunkt Bundeswehr und Recht soll künftig weiterbearbeitet werden unter den Aspekten:

 

- Wiederinkraftsetzung der Wehrpflicht / Einführung einer Dienstpflicht

- Rechtliche Grundsätze für den Einsatz von Streitkräften in Krieg und Krisenreaktion Frieden

 

Anhang: Auszüge aus dem Grundgesetz

 

Folgende Bestandteile des Grundgesetzes in seiner aktuellen Fassung sind für die verfassungsrechtliche Einordnung der Bundeswehr von Bedeutung:

Bw und Grundgesetz