Reservisten Ü65 wollen weiter an der Freiwilligen Reservistenarbeit in Uniform teilnehmen können.
Die Anweisung der Landeskommandos, dass Reservisten ab dem 65. Lebensjahr nicht mehr an Dienstlichen Veranstaltungen (DVag) in Uniform teilnehmen dürfen, hat viel Verärgerung bei den älteren Kameraden hervorgerufen, welche über viele Jahre in der Freiwilligen Reservistenarbeit aktiv waren und sich plötzlich nicht mehr an Aktivitäten beteiligen dürfen, die sie lange mitgetragen haben. In einigen Bereichen wurde dann sogar verfügt, dass die älteren Reservisten ausgekleidet werden sollten. Es wird auf die wehrrechtliche Rechtslage verwiesen, die für das 65. Lebensjahr eine Grenze für einen soldatischen Einsatz vorsieht. Lange waren die Landeskommandos pragmatisch vorgegangen und hatte älteren Kameraden auf Wunsch als eingeladenen Gäste eine Teilnahme an Dienstlichen Veranstaltungen ermöglicht. Für Verbandsveranstaltungen (VVag) gibt es weiterhin eine rechtliche Möglichkeit mit Uniformtrageerlaubnisteilzunehmen, der aber mit einer verfügten Abgabe der Uniform die Grundlage entzogen würde.
Es steht zu befürchten, dass im Windschatten der Pandemie weitere Maßnahmen zur Zurückdrängung älterer Uniformträger folgen könnten. Zu befürchten ist, dass auf eine Auskleidung der Austritt folgen könnte und eine bislang verlässliche Lobby für die Truppe geschwächt würde.
In der Bundesrepublik immer wieder zu beklagen, ist die verbreitete Illusion, man könne sich für alle Zeiten in Sicherheit wiegen und den Frieden genießen, ohne jegliche militärische Vorsorge treffen zumüssen. Hier haben Reservisten seit Jahrzehnten auch in schwierigen Zeiten durch Präsenz mit oder ohne Uniform daran gearbeitet, Tabus zu brechen und diese Themen zur Sprache zu bringen.
Das Kapital, das Reservisten in die Diskussion einbringen konnten, war auch militärisches Wissen und Können, das sie auch nach ihrer Dienstzeit im Rahmen der Freiwilligen Reservistenarbeit noch bewahren konnten. Militärische Förderung und Mittlerrolle gehören zusammen.
Die freiwillige Reservistenarbeit kann Angehörige der Bürgergesellschaft mit der Truppe verknüpfen, die sonst kaum noch Berührung mit ihr hätten und ihrerseits in gelegentlicher Uniform von Mitbürgern als Botschafter für die gern verdrängte verteidigungspolitische Daseinsvorsorge wahrgenommen werden.
Die Generation Ü65 ist ein gewichtiger Faktor in der Meinungsbildung und spielt schon aufgrund der Demographie weiterhin eine wichtige Rolle bei der politischen Willensbildung. Man sollte sie nicht ohne Grund vor die Tür setzen. In der Regel können Menschen in dieser Altersgruppe auf gewachsene soziale Bindungen zurückblicken und sind oft nicht mehr durch berufliche Verpflichtungen zeitlich eingeschränkt. Sie können Ungediente aus dem Bekannten- und Familienkreis bei Gästeveranstaltungen an die Bundeswehr heranführen und da sollten sie schon mit einem Bundeswehrhintergrund äußerlich identifizierbar sein.
Für die Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland bringt es keinerlei praktischen Nutzen,wenn man mit juristischen Einwendungen durch praktisches Tun nachgewiesenes Engagement mit einem Schlag beendet. Es werden dadurch keine Kapazitäten für andere Aufgabenfelder freigesetzt!
Wie stellt man sich die praktische Reservistenarbeit vor, wenn bei Dienstlichen Veranstaltungen ältere Kameraden für das Funktionspersonal wegfallen? Der Fortbestand der Freiwilligen Reservistenarbeit ist auch künftig notwendig, da sie den Grundbeorderten in Teilgebieten das Angebot einer militärischen Förderung öffnet, selbst wenn sie sich nicht auf freiwillige Reserveübungen einlassen wollen. Es waren ja auch immer viele aktive oder gerade ausgeschiedene Soldaten in Reihen des Reservistenverbandes, die gerne mitgemacht haben.
Reservisten sind oft die einzigen Uniformträger, die bei Öffentlichkeitsveranstaltungen Flagge zeigen, wenn die Bundeswehr schon längst aus der Region verschwunden ist. Will man auch hier die Uniform für die älteren Kameraden verbieten?
Die Uniform ist für die Reservisten immer ein Symbol der inneren Verbundenheit mit der Truppe. Man sollte solche psychologischen Faktoren nicht unterschätzen und sich nicht wundern, wenn viele Ältere nach Durchsetzung der Weisung innerlich kündigen und die Reihen der Bundeswehrbefürworterverlassen.
Das Argument, man könne den Soldatenstatus nicht mehr erkennen, wenn auch die Ü65 noch in Uniform teilnehmen, scheint eine etwas fadenscheinige Retourkutsche auf die Abschaffung der schwarz-rot-goldenen Kordelfür nichtdienstliche Veranstaltungen zu sein. Die ließe sich ja zum Beispiel grundsätzlich für alle lebensältere Teilnehmer bei DVAg (wieder-)einführen, zumal sich viele Reservisten an der Basis ohnehin nie an der Kordel gestört haben! Plötzlich vorgetragene juristische Bedenken wirken wenig glaubwürdig, wenn man über Jahrzehnte eine großzügigere Handhabung praktizierte. Die in der jüngeren Vergangenheit um sich greifende Verrechtlichung aller Entscheidungen und Handlungen hat nicht unbedingt zur Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr beigetragen!
Grundsätzlich hat jeder Leitende einer Dienstlichen Veranstaltung immer die Befugnis, unangemessen auftretende Teilnehmer in die Schranken zu weisen, sei es als militärischer Vorgesetzter oder temporärer Inhaber des Hausrechts. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass die meisten Kameraden schon selber für sich entscheiden können, ob die Uniform in der Öffentlichkeit für sie noch angemessen ist oder der Dienst mit Waffen sie überfordert. Militärische Aktivitäten gehen aber weit über den Umgang mit Waffen hinaus und bieten noch viele Möglichkeiten, Know How, Engagement und Fitness einzubringen.
Durch zahlreiche DVAG, VVag haben Reservisten bei Ausbildungen und Wettkämpfen ihr militärisches Know How über den weiter zurück liegenden Wehrdienst hinaus erhalten und erweitern können. Das alles verlief auf der freiwilligen Ebene und oft ohne Beorderungskarriere. Mit einem zivilen familiären und beruflichen Hintergrund ohne eine interessengebundene Affinität zur Bundeswehr haben sich die Teilnehmer an der Freiwilligen Reservistenarbeit in der gelegentlichen temporären Rolle eines Bürgers in Uniform immer wohl gefühlt. Sie bot viele Gesprächsanlässe und wurde von Freunden, Nachbarn und Kollegen wahrgenommen . Dies würde sie gern auch noch eine Weile als Senioren tun, solange dies Fitness und Outfit zulassen.
Im Laufe der Zeit verschiebt sich Fokus zuweilen auf die sicherheitspolitische Arbeit. Oft sind es ältere Reservisten die Informationsstationen bei Gästeschießen, Tagen der offenen Tür, Sipo-Stationen bei Wettkämpfen, Info-Stände bei Bürgerfesten durchführen. In diesen Rollen würden sie in der Öffentlichkeit gern weiter in Uniform teilnehmen, wenn der Kontext es gebietet. Die Teilnahme an Schießen trägt wesentlich zum Zusammenhalt und damit auch zur Mittlerrolle bei und in Form von Gästeschießen bietet sich eine passende Gelegenheit, truppenferne BürgerInnen an militärische Fragen heranzuführen. Da erwarten aber auch die geworbenen Gäste, dass man als Werbender für die Veranstaltung und Betreuer in Uniform präsent ist. Die Älteren treten dabei in unterstützenden, nicht in „kämpfenden“ Rollen in Erscheinung und überlassen den jungen aktiven Kameraden bei der Selbstdarstellung der Truppe natürlich den Vortritt.
Bei Bürgerfesten sind die Reservisten oft diejenigen, die in ehemaligen Garnisonsstädten im äußeren Erscheinungsbild noch als Bürger in Uniform präsent sind. Auch wenn Kameraden in jüngeren und mittleren Jahren auftreten können, wird eine große Lücke entstehen, wenn die älteren Gesichter an Informations- und Betreuungsständen verschwinden. Denken muss man auch an die vielen Kameraden, die mit ihrer Arbeit den Volksbund unterstützen und dabei gelegentlich auch noch Uniform tragen.
Es wäre bedauerlich, wenn sich die Senioren aus dem Engagement für Bundeswehr und Verband zurückziehen würden, wenn man sie aus dem Erscheinungsbild der Truppe mit bürokratischen Entscheidungen verdrängen möchte und einem PR-Modell von Jugend und Dynamik opfert, das nie die ganze Wirklichkeit sein wird. Verteidigungsfähigkeit und Resilienz einer Gesellschaft werden nicht nur von 185.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten und (leider nur) 30.000 beorderten Reservisten getragen, sondern von vielen aufmerksamen, kundigen und öffentlich präsenten Aktivbürgern.
Die Tradition des „Bürgers in Uniform“, welche die Gründergeneration der Bundeswehr gegen Reaktion und Gleichgültigkeit durchsetzen musste, ist gerade auch bei künftigen hybriden Bedrohungen gefordert, ganz gleich ob diese Bürger Uniform anhaben oder nicht.